Auf Mauritius droht kulturelles Erbe ein Opfer von Bauinteressen zu werden. Betroffen sind die historischen Salinen der Insel. Sie sind Touristenattraktion und Wahrzeichen aus der Kolonialzeit. Weil sich mit dem Salzabbau nicht mehr viel verdienen lässt, soll ein Teil der Salinen einer Tiefgarage weichen. Doch die Bürger wehren sich.
Salinen auf Mauritius – Kulturelles Erbe soll Tiefgarage weichen
Von Antje Allroggen
Schon die französischen Kolonialherren hatten neben dem Anbau von Zuckerrohr mehrere Salinen auf Mauritius zur Salzgewinnung betrieben. Die Verdunstungsanlage von Tamarin wurde vor mehr als 50 Jahren gebaut und zählt heute zu den schönsten und am besten erhaltenen auf der Insel. Ein Großteil der Salinen soll nun zerstört werden und einem neuen Bauprojekt weichen.
„Das Projekt sieht vor, 40 Hektar der Salinen – etwa 75 Prozent der gesamten Anlage – durch den Neubau eines Shoppingcenters zu bebauen. Auf dem Gelände sollen ein Supermarkt, ein Altersheim, Luxusvillen und eine Tiefgarage entstehen. Die übrigen 25 Prozent der Salinen sollen als touristische Attraktion bestehen bleiben.“
Die mauritische Bevölkerung hatte über das Vorhaben nur zufällig über die sozialen Netzwerke erfahren. Daraufhin formierte sich Widerstand. Zum ersten Mal solidarisierten sich mehrere Tausend Insulaner, um sich für den Erhalt einer kulturellen Stätte auf Mauritius einzusetzen. Mit einer Petition im Internet wandten sie sich an die Regierung der Insel und wollten das Bauvorhaben stoppen. Percy Yptong, Musikproduzent und Unternehmer, ist aktives Mitglied der Initiative:
„Innerhalb von nur zwei Tagen haben 5000 Mauritier die Petition unterschrieben. Das ist ein Rekord für Mauritius. Die Salinen sind von einem großen kulturhistorischen Wert. Sie bedeuten uns in etwa so viel, wie den Franzosen der Eiffelturm. Deshalb bekämpfen wir nun das Projekt. Bevor wir über das Bauvorhaben im Internet informierten, wussten die Leute überhaupt nichts von dem neuen Gewerbegebiet, das auf der Anlage entstehen soll. Deshalb hat es bei mir Zuhause eine Versammlung zu dem Thema gegeben. Die Mauritier kennen keine Protestkultur, wie es sie in Europa gibt.“
Salz aus Mauritius zu teuer
Mit dem Anbau von Salz lässt sich auf Mauritius seit der Liberalisierung des Marktes kaum noch Geld verdienen. Die billigeren Produkte aus dem Ausland haben das teurere eigene Salz verdrängt. Die mauritische Regierung hat bisher wenig für die Pflege ihrer historischen Gebäude getan. Wohl deshalb gibt es keine einzige erwähnenswerte staatliche Behörde, die für den Erhalt mauritischen Kulturguts verantwortlich zeichnet. Kleine NGOs übernehmen die Aufgabe und genießen in der Politik nur wenig Rückhalt. Die Initiative SOS Patrimoine en Péril – „SOS – Kulturgut in Gefahr“ – hat es sich zur Aufgabe gemacht, die mauritische Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren, erklärt Nelly Ardill, Präsident der Einrichtung:
„Wir haben zunächst vor allem versucht, die Städte auf ihre kulturhistorischen Besonderheiten hinzuweisen. In Curepipe zum Beispiel, der zweitgrößten Stadt der Insel, gibt es noch immer viele Gebäude im Art-Déco-Stil. Port Louis wiederum war zu Zeiten der Franzosen einst eine sehr lebendige, schöne Stadt und ist nun dabei, architektonisch völlig bedeutungslos zu werden. Mauern, die noch aus der Kolonialzeit stammen und die Häuser schützen sollten, werden einfach zerstört. Aus diesen Städten müsste man einfach wieder schöne Ortschaften machen.“
Private Initiativen kämpfen für das kulturelle Erbe
SOS Patrimoine en Péril hat im Internet eine umfangreiche Datenbank angelegt, die ganz im Sinne André Malraux‘ alle Kulturdenkmäler der Insel zu einem imaginären Museum zusammen fügt. Die realen Museen des Landes können sich nicht an internationalen Standards messen. Auch hier sind es private Initiativen, die kulturelle Zeichen setzen. Tristan Bréville unterhält ein privates Fotografiemuseum. Ein Engagement, das ihm auf der Insel nicht nur Freunde gemacht hat:
„Ich habe es Jacques Chirac zu verdanken, dass ich mein Fotografiemuseum in diesem schönen historischen Gebäude einrichten durfte. Das Haus gehört noch immer dem Staat. Heute genieße ich nicht mehr die Gunst von Chirac, heute sind es einige Verwaltungsangestellte, die die Macht haben. Und die machen mir mein Leben nun schwer, weil ich mein Museum in einem staatlichen Gebäude betreibe, das mir nicht gehört.“
Während die Aufarbeitung der Geschichte der Kolonialherren in weiten Teilen auf Mauritius ausgeklammert bleibt, setzt sich der Staat seit einigen Jahren immerhin mit seiner Sklavengeschichte auseinander: Zwei kulturelle Stätten aus dieser Zeit und Perspektive gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO, außerdem ist ein eigenes Museum geplant. Die Proteste gegen den Abbau der historischen Salinen-Anlagen könnten nun ein Zeichen dafür sein, dass zumindest die Bevölkerung bereit dazu ist, sich der Aufarbeitung weiterer Teile des kolonialen Erbes zu stellen.
Über die Autorin:
Antje Allroggen hat an den Universitäten Bonn und Nancy (Frankreich) Kunstgeschichte, Philosophie und Komparatistik studiert. Seit dem Jahr 2000 arbeitet sie als Kultur– und Reisejournalistin für diverse ARD-Hörfunkanstalten, vor allem für den Deutschlandfunk. Journalistische Stipendien führten sie unter anderem nach Marokko und an die Duke University in North Carolina / USA. Mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern (zwei und acht Jahre) lebt sie in Grand Baie/ Mauritius. Vielen Dank an Frau Allroggen und den Deutschlandfunk, die uns erlauben, die großartigen Geschichten und Beiträge für unsere Leser zu veröffentlichen!